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SPD-Kreistagsfraktion im Austausch mit dem Mieterbund Baden-Württemberg
Haßmersheim. (pm) Die SPD-Kreistagsfraktion im Neckar-Odenwald-Kreis widmete sich in ihrer jüngsten Sitzung intensiv dem Thema Wohnen. Neben der Vorbereitung auf bevorstehende Ausschuss- und Kreistagssitzungen stand der Austausch mit dem Vorsitzenden des Mieterbunds Baden-Württemberg, Rolf Gaßmann, im Fokus. Fraktionsvorsitzender Jürgen Mellinger begrüßte Gaßmann, der zuvor als Landtagsabgeordneter tätig war, als sachkundigen Gast.
Strukturelle Ursachen des Wohnraummangels
Gaßmann machte deutlich, dass der Mangel an bezahlbarem Wohnraum tiefere Ursachen habe. Über Jahre hinweg sei der Wohnraumbedarf in Baden-Württemberg ausschließlich auf Basis der demografischen Entwicklung berechnet worden. Dabei sei der anhaltende Zuzug in das wirtschaftlich starke Bundesland mit seinen zahlreichen Arbeitsplätzen massiv unterschätzt worden. Die Folgen seien heute unübersehbar: Immer mehr Menschen könnten sich ihre Miete kaum noch leisten. Während die unteren zwanzig Prozent der Einkommen inzwischen rund 45 Prozent oder mehr für Miete aufbringen müssten, lag dieser Anteil in den 1990er Jahren noch unter einem Drittel. Inzwischen sei selbst die Mittelschicht betroffen.
Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen
Der Wohnraummangel habe nicht nur soziale, sondern auch gravierende wirtschaftliche Auswirkungen. Wenn ein Großteil des Einkommens für Miete aufgewendet werde, bleibe kaum noch Geld für den Konsum – was wiederum dem örtlichen Einzelhandel schade. Auch Unternehmen litten, wenn Fachkräfte keine Wohnung fänden und deshalb entweder gar nicht kämen oder den Standort wieder verließen.
Fehlende Neubauten verschärfen die Situation
Gaßmann verdeutlichte, dass in Baden-Württemberg jährlich rund 50.000 neue Wohnungen notwendig wären. Tatsächlich entstünden jedoch nur etwa halb so viele. In der Region sei die Zahl der Baugenehmigungen im Vergleich zu vor fünf Jahren sogar dramatisch eingebrochen.
Hohe Baukosten durch überbordende Standards
Die SPD-Kreistagsfraktion sieht einen zentralen Hemmschuh für neue Bauprojekte in den stetig wachsenden rechtlichen Anforderungen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene. Diese trieben die Baukosten in die Höhe und blockierten dringend benötigten Wohnungsbau. Kreisrätin Dr. Dorothee Schlegel verwies auf den Gebäudetyp E, der in der vergangenen Legislaturperiode eingeführt wurde und für einfachere Standards steht. Dieser sei ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch bei weitem nicht ausreichend. Die Hoffnung der Fraktion ruhe nun auf der neuen Bundesbauministerin Verena Hubertz, die den Wohnungsbau kraftvoll vorantreiben müsse.
Mietpreisbremse, Bauordnung und kommunale Verantwortung
Auch weitere politische Stellschrauben wurden diskutiert. Gaßmann sprach sich deutlich für eine Verlängerung der Mietpreisbremse aus. Zwar könne diese den Wohnungsmangel nicht beheben, doch sie sei ein wirksames Instrument gegen Mietwucher – insbesondere im Bereich möblierter Wohnungen, wo derzeit noch große Lücken bestehen.
Kreisrat und Landtagskandidat Patrick Haag forderte mehr kleine und bezahlbare Mietwohnungen für junge Menschen. Er übte zugleich Kritik an der Landesregierung, die bei der letzten Reform der Landesbauordnung versäumt habe, echte Entlastungen umzusetzen. Besonders der Stellplatzschlüssel bleibe ein erheblicher Kostentreiber. Eine kommunale Regelung hätte hier Spielraum schaffen können.
Innenentwicklung und kommunales Bauland
Die Kreisräte Julian Stipp und Georg Nelius machten deutlich, dass verstärkt Bauland ausgewiesen werden müsse, um dem zunehmenden Wohnraummangel zu begegnen. Kreisrat Ralf Schnörr betonte darüber hinaus die Bedeutung innerörtlicher Entwicklungspotenziale. Gerade in Gemeinden wie Neckargerach, die durch Topografie und Naturschutzgebiete räumlich stark eingeschränkt seien, müssten bestehende Baulücken geschlossen und durch Nachverdichtung neue Möglichkeiten geschaffen werden.
Forderung nach handlungsfähiger Verwaltung
Auch auf Verwaltungsebene sieht die SPD-Fraktion Handlungsbedarf. Jonas Weber, stellvertretender Kreisvorsitzender, kritisierte, dass das Landratsamt die bestehenden Spielräume in Gesetzen und Verordnungen zu selten nutze, um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Zwar seien viele Standards von übergeordneter Ebene vorgegeben, doch auch vor Ort müsse man aktiver werden.
Wohnen bleibt zentrale politische Aufgabe
Die SPD-Kreistagsfraktion will das Thema Wohnen weiterhin intensiv begleiten und fordert entschlossenes Handeln auf allen politischen Ebenen. Fraktionsvorsitzender Jürgen Mellinger brachte es abschließend auf den Punkt: „Bezahlbares Wohnen ist keine Randfrage. Es ist eine soziale und wirtschaftliche Kernfrage unserer Zeit.“