Im Maschinenraum des Nahwärmenetzes. (Foto: pm)
„Nahwärme für Neunkichen – jetzt!“
Kleinaspach.(pm) Die Ziele der beiden Gemeinden Neunkirchen und Kleinaspach sind hoch und passen deshalb sehr gut in die aktuellen weltweiten Klimaschutzdiskussionen: Die Erreichung einer komplett unabhängigen Energieversorgung in wenigen Jahrzehnten – in Kleinaspach spricht man vom Jahr 2050.
Bereits bei der Informationsveranstaltung im März dieses Jahres in Neunkirchen wurde deutlich, dass das Motto „Nahwärme für Neunkichen – jetzt!“ auf große Resonanz bei der Bevölkerung gestoßen war. Ein großer Bestand an alten Ölheizungen und die Möglichkeit, durch eigene nachwachsende Rohstoffe „das Geld im Dorf zu lassen“ und die Umwelt zu schonen würden für die Realisierung eines solchen Nahwärmenetzes sprechen, so die Befürworter, allen voran die Gemeindeverwaltung mit Bürgermeister Bernhard Knörzer an der Spitze.
Deshalb nutzten Bürgerinnen und Bürger aus Neunkirchen die Möglichkeit, eine Gemeinde zu besuchen, wo ein solches Nahwärmenetz schon in Betrieb ist. Am vergangenen Freitag machte sich ein Reisebus auf den Weg ins 80 km entfernte Kleinaspach bei Backnang im nördlichen Rems-Murr-Kreis. Erste Anlaufstelle war das Hotel Sonnenhof, im Übrigen vielen bekannt durch die dort beheimatete Sängerin Andrea Berg, das auch in direktem Zusammenhang mit der Gründung des Nahwärmenetzes in Kleinaspach gestanden hatte.
Wie Holger Dörrscheidt, Kämmerer der Gemeinde, in seinem Vortrag erläuterte, war dieses Hotel „mitunter ausschlaggebend“ für den Beginn dieses Projektes. Mit diesem Ankerkunden hatte man einen großen und festen Wärmeabnehmer und konnte somit zügig an die Umsetzung gehen. Der Beschluss erfolgte 2013, bereits Anfang 2015 wurden die ersten Kunden mit Nahwärme beliefert.
Die Gemeinde Aspach mit rund 8.000 Einwohnern hatte damals an dem baden-württembergischen Wettbewerb „klimaneutrale Kommune“ teilgenommen. Als Rechtsform wurde der Eigenbetrieb Wasserversorgung in die Versorgungsbetriebe Aspach umfirmiert – hier lag nun die Verantwortung für dieses Projekt.
Zu einer bestehenden privaten Wärmequelle, die Biogasanlage eines Landwirtes mit rund 200 kW Heizleistung, kamen weitere hinzu. Der Bau einer Heizzentrale mit einer Hackschnitzelheizung mit 800 kW und einem Heizölkessel mit 1000 kW, dieser jedoch nur für Spitzenlast, die Übergangszeit oder als Redundanz (falls Heizsysteme ausfallen), war der nächste Schritt.
Der Pufferspeicher mit 150 Kubikmeter Inhalt sorgt für gleichmäßigen und wirtschaftlichen Betrieb und hilft, Störungen „unbemerkt“ zu überbrücken. Parallel dazu mussten natürlich die ganzen Wärmeleitungen, rund 8 km in zwei Bauabschnitten, im Ort verlegt und die Hausanschlüsse vorbereitet werden. In den eigentlichen Privathäusern sorgen kleine Übergabestationen für die Wärmeübertragung; Ölkessel, Öltank und natürlich auch der regelmäßige Besuch vom Kaminfeger gehören dann der Vergangenheit an.
Die Bilanz könne sich, so die Betreiber, durchaus sehen lassen: Pro Jahr ersetze man fast 400.000 Liter Heizöl und vermeide somit jährlich über 1.300 Tonnen CO2. Diese Zahlen machten auch deutlich, dass somit die heimische Wertschöpfung deutlich gestiegen sei. Rund 56 Prozent der benötigten Wärme liefere der Holzkessel, die anderen 39 Prozent kämen von der Biogasanlage. Der Anteil der Ölheizung mit 5 Prozent sei sehr gering – genau so habe man es auch geplant, so Holger Dörrscheidt.
Insgesamt werde man nach Abschluss des dritten Bauabschnittes ca. 6,5 Mio. Euro investiert haben, abziehen könne man Zuschüsse von rund 1,5 Mio. Euro und die in Rechnung gestellten Hausanschlüsse in Höhe von 1,1 Mio. Euro. Man versorge zwischenzeitlich neben dem Hotel als größten Kunden rund 100 Privat- und gewerbliche Gebäude und verschiedenen Liegenschaften wie das Feuerwehrhaus, den Bauhof, die Sporthalle und die Grundschule.
Bei der anschließenden Fragerunde, mit dabei waren der stellvertretende Bürgermeister Aspachs, Richard Wiener, Manfred Sinn, techn. Mitarbeiter der Heizzentrale, Uwe Ristl und Peter Brönner von der Energieagentur Neckar-Odenwald sowie Wolfgang Schuler von der IBS Ingenieursgesellschaft, Planer dieses Nahwärmenetzes und ebenfalls Kenner der Situation in Neunkirchen, konnte vieles geklärt werden.
Beispielsweise auch der Preis: Die Kunden zahlen aktuell 7,4 Cent für die kWh Wärme (Anm.: 10 kWh entsprechen dem Heizwert eines Liters Heizöl) zuzüglich einer gestaffelten Grundgebühr. Den anwesenden Fachleuten war der Hinweis wichtig, dass „Wärmepreis“ nicht gleich „Ölpreis“ sei. Der Wirkungsgrad von Einzelheizungen läge bei rund 80 Prozent, der Wärmekunde jedoch bezahle „nur“, was er tatsächlich erhalte.
Zudem müsse man laufende Kosten wie Wartung der Ölheizung und des Tankes sowie Kosten für Kaminfeger gegenrechnen. Wie stehe es mit der Sicherheit bei Stromausfall? Einfache Antwort, in einem solchen Fall gehe keine Heizung mehr, auch die eigene nicht. Beim Tausch einer Einzelheizung müsse man aktuell gemäß den gesetzlichen Vorgaben Energiesparmaßnahmen durchführen, beispielsweise Isolierungen am Dach oder den Fassaden oder andere Fenster.
Zwar sei durch den Bezug der Nahwärme diese Bedingung „bei Weitem erfüllt“, jedoch kam von Uwe Ristl von der Energieagentur Neckar-Odenwald der Hinweis, dass man es trotzdem tun sollte. Geringere Heizkosten und weniger Umweltbelastung wären die Vorteile – unverbindliche Informationen erhalte man bei der Energieagentur und den Energieberatern.
Auch wurde nach den zu erwartenden Emissionen gefragt, die durch eine solche große Heizanlage entstehen würden. Die Fachleute waren sich einig, dass etwas „modernes großes“ weniger kritisch sei als viele „kleine und meist alte“ Einzelheizungen. Anschließend wurde die Heizzentrale besichtigt. Für die zahlreichen Fragen standen die Dörrscheidt, Sinn und Schuler zur Verfügung.
Unterm Strich war diese Infofahrt, dessen waren sich alle einig, eine genauso interessante wie sinnvolle Veranstaltung. Bürgermeister Knörzer versprach abschließend, dass in Neunkirchen zeitnah erste Beratungsgespräche mit den Hauseigentümern, die Interesse bekundet hatten, durchgeführt würden.