Mit dem Nachbau einer Kalschnikow, die 600 Schüsse in der Minute abgeben kann, schoss der 54-jährige Reichsbürger auf die Polizei. (Symbolbild – Nemo5576/Wikipedia/CC-BY-SA 4.0)
Gefahr für Gesellschaft, Behörden und Polizei
Heilbronn/Bobstadt. Bei dem am Mittwochmorgen, ab 6:00 Uhr, durchgeführten Einsatz der Polizei in Boxberg-Bobstadt (NZ berichtete) waren 230 Polizeibeamte der Polizeidirektion Heilbronn, des LKA Baden-Württemberg sowie Spezialeinsatzkräfte (SEK) eingebunden. Dieses massive Vorgehen wurde notwendig, nachdem es bei der geplanten Durchsuchungsmaßnahme, die sich gegen den 54-jährigen Haupttäter richtete, zu Schüssen auf die Polizeibeamten kam. Das SEK erwiderte das Feuer. Bei dem Schusswechsel wurden zwei Beamte getroffen.
Jedoch war die Schutzausrüstung dafür verantwortlich, dass „nur“ ein Polizist, durch Schüsse in die Oberschenkel, verletzt wurde. Der Beamte befindet sich im Krankenhaus, teilte Polizeipräsident Hans Becker im Rahmen einer Pressekonferenz mit. Er sei aber guter Dinge und gehe davon aus, dass der Kollege vollständig genesen wird.
Auch um die anderen, eingesetzten Polizeibeamten, die von dem brutalen Vorgehen des Täters überrascht wurden, werden betreut. Denn jeder könne sich vorstellen, so Staatsanwalt Dr. Florian Kienle, dass ein solcher Einsatz an den Einsatzkräften nicht spurlos vorüber gehe.
Im Hinblick auf die Brutalität des Reichsbürgers, sei es nur Glück gewesen und der Schutzausrüstung zu verdanken, dass kein Beamter ums Leben gekommen sei, so Kienle weiter. Außerdem war es der akribischen Einsatzplanung der Polizei zu verdanken,
Auch LKA-Präsident Andreas Stenger bestätigte diesen Gedanken, habe der Täter doch einen Kalaschnikow -Nachbau eingesetzt, der in der Minute 600 Schüsse abgeben kann. Ob auch die anderen Personen geschossen haben, werde sich erst nach weiteren Untersuchungen zeigen, so Stenger.
Wie sich nach der vorläufigen Festnahme der sieben Personen, die sich auf dem Anwesen aufhielten, trauten die Einsatzkräfte zunächst ihren Augen nicht, fanden sich doch in den Gebäuden, die in Kooperation mit der Staatsanwaltschaft Mosbach betreten und in Augenschein genommen wurden, zwei begehbare Waffenkammern mit zahlreichen automatischen Waffen wie Maschinengewehre, Handfeuerwaffen sowie Stichwaffen. Darüber hinaus wurde eine noch nicht quantifizierbare Menge an Munition festgestellt. Die Waffen waren einsatz- und griffbereit auf dem gesamten Anwesen verteilt.
Neben den Kriegswaffen konnten die Beamten eine Vielzahl an Nazi-Devotionalien und Reichkriegsflaggen feststellen. Daneben befand sich in einem weiteren Gebäude eine Cannabis-Indoor-Plantage.
Nachdem sich der Hauptverdächtige über den Polizeinotruf mit der Polizei in Verbindung gesetzt hatte, stellte er sich nach längeren Verhandlungen den Einsatzkräften. Auch die anderen Personen, im Alter von 23 bis 49 Jahren, sowie eine minderjährige Person verließen das Gebäude und wurden ohne weitere Widerstandshandlungen vorläufig festgenommen. Von den sieben Personen sind zwei weiblich und fünf männlich.
Der Haupttäter, dem ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt wurde, machte bei seiner Vernehmung umfangreichen Angaben zum Sachverhalt. Danach wurde er wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung, dem unerlaubten Besitz von Kriegswaffen und des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzes dem Haftrichter vorgeführt, der einen Haftbefehl erließ. Anschließend wurde der 54-jährige Reichsbürger in eine Justizvollzugsanstalt gebracht.
Die weiteren Personen wurden inzwischen alle aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Es wird jedoch gegen alle Beteiligten weiter ermittelt. Aufgrund des Umfangs und der Bedeutung des Falls wurde auch die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe eingebunden, die das Verfahren möglicherweise übernimmt.
Das Wohnhaus, das während des Einsatzes und Schusswechsels in Brand geriet, und aufgrund der Gefahr wegen der Munition und möglichen Sprengstoffs nicht gelöscht werden konnte, sodass es kontrolliert abbrannte, konnte bisher noch nicht betreten werden. Daher konnten die Vertreter der Polizei und der Staatsanwaltschaft keine weiteren Angaben machen.
Es wird jedoch ermittelt, woher die Waffen kamen, ob es ein Netzwerk gibt und welche digitalen Spuren der Haupttäter hinterließ. Darüber hinaus wird im weiteren Verlauf auch untersucht, ob es konkrete Pläne gibt, die auf Attentate hinweisen. Die Untersuchungen liegen in der Verantwortung des LKA, in Kooperation mit den Kräften der Polizeidirektion Heilbronn.
In einem vorläufigen Fazit betonte Polizeipräsident Hans Becker, dass die Maßnahme wichtig war, um eine Gefahr für Gesellschaft, Behörden und Polizei zu beseitigen. Die Polizei werde weiterhin mit aller Konsequenz gegen die Szene Reichsbürger, Selbstverwalter, Neo-Nazis vorgehen.
Der Ablauf des Geschehens zeige, dass es die richtige Entscheidung war, massive Kräfte, unter Einsatz des SEK, mit gepanzerten Fahrzeugen und ähnlichem Gerät einzusetzen. Dennoch sei man von der Brutalität überrascht worden. Die Ermittlungen laufen weiter, um das Tatgeschehen vollständig aufzuklären. Mit dem Dank an alle Beteiligten schloss Becker seine Ausführungen.
Da man erst am Anfang der Ermittlungen stehe, könne man keine weiteren Angaben machen. Dies ergebe sich auch aus ermittlungstaktischen Gründen, schloss Carsten Diemer, der Leiter der Stabsstelle für Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Heilbronn.