Notfall-Gipfel wegen Praxisschließungen

Notfall-Gipfel wegen Praxisschließungen
Notfall-Gipfel wegen Praxisschließungen

Jan-Peter Röderer MdL (li.) überreicht einen Ordner voller Unterschriften während Birgit Biber (re.) einen USB-Stick dabei hat, um Dr. Doris Reinhardt (Mitte) von der KVBW ebenfalls Unterschriften betroffener Bürger zu übergeben. (Foto: Daniel Hamers)

KVBW: „Eine Notfallpraxis ist ausreichend!“

Stuttgart. (pm) Die Einladung des Landtagsabgeordneten (MdL) Jan-Peter Röderer (SPD) zum Notfallgipfel führte zu zahlreichen Anfragen in seinem Wahlkreisbüro. Viele wollten wissen, ob sie teilnehmen dürften und ob „noch etwas zu retten sei“.

Die Teilnahmefrage klärte Röderer schnell mit einem klaren „Ja“ und organisierte eine gemeinsame Anreise. Zur inhaltlichen Frage verwies er auf laufende Unterschriftensammlungen und Veranstaltungen, die darauf abzielen, die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) zu revidieren. Ein Moratorium sei notwendig, um Zeit für eine verantwortungsvolle Planung zu gewinnen. Erst nach einer solchen Aussetzung könne sachlich entschieden werden, wo Notfallpraxen unersetzlich seien und wo alternative Strukturen greifen könnten.

„Heute sitzt der Souverän auf den Abgeordnetenplätzen“

SPD-Landeschef Andreas Stoch eröffnete die Veranstaltung mit der Feststellung, dass „heute der Souverän auf den Abgeordnetenplätzen sitzt“, während die gewählten Mandatsträger auf den Regierungsbänken Platz genommen hatten.

Im Anschluss kamen die Experten des Podiums zu Wort. Florian Wahl, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, betonte, dass Versicherte Anspruch auf adäquate Leistungen hätten, die sie selbst mit ihren Beiträgen finanzierten. Das Vorgehen der KVBW könne nicht nur medizinische Versorgung gefährden, sondern auch Vertrauen zerstören.

Experten kritisieren geplante Schließungen

Prof. Dr. Andreas Pitz von der TH Mannheim machte deutlich, dass es bei der medizinischen Versorgung nicht um Wünsche, sondern um Rechtsansprüche der Versicherten gehe. Eine vermeintliche Unfähigkeit der Patienten, sich im Gesundheitssystem zurechtzufinden, dürfe nicht als Argument für Schließungen dienen. Stattdessen müssten bestehende Strukturen weiter optimiert werden.

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Dr. Doris Reinhardt von der KVBW verteidigte die geplanten Maßnahmen. Aus ihrer Sicht sei es ausreichend, wenn eine Notfallpraxis innerhalb von 45 Minuten erreichbar sei. Mehr könne man nicht leisten, ohne die ambulante Versorgung zu gefährden. Künftig solle eine Notfallpraxis pro Landkreis genügen – eine Entscheidung, die sie als unumstößlich darstellte.

Diese Haltung stieß auf deutlichen Widerstand. Müllheims Bürgermeister Martin Löffler kritisierte den Informationsfluss und forderte eine sorgfältige, transparente Planung. Dr. Stefan Kühner von den Kreiskliniken Reutlingen warnte davor, mitten in der Krankenhausreform 18 Notfallpraxen zu schließen. Eine koordinierte Steuerung sei dringend erforderlich.

Einigkeit über Notwendigkeit besserer Lösungen

Während Dr. Reinhardt mit ihrer Position oft isoliert blieb, herrschte unter den übrigen Experten Einigkeit, dass Telemedizin und Notfallnummern wie 116117 sinnvolle Ergänzungen seien – jedoch keinesfalls eine Lösung für die drohende Versorgungslücke darstellten.

Prof. Pitz stellte klar, dass das Sozialministerium als Aufsichtsbehörde verpflichtet sei, zu prüfen, ob die Schließungen verhältnismäßig seien. Er bezweifelte, dass die Behauptung, die ambulante Versorgung hänge von den Schließungen ab, rechtlich haltbar sei.

Kommunen fordern Mitsprache

In den Publikumsbeiträgen wurde vor allem die eigenmächtige Vorgehensweise der KVBW kritisiert. Bürgermeister warnten vor den drastischen Folgen für ihre Kommunen. Gleichzeitig wurde die Hoffnung geäußert, dass das geplante Notfallgesetz des Bundes, das derzeit von Bayern und Baden-Württemberg blockiert wird, Verbesserungen bringen könnte.

Juristische Fragen standen ebenfalls im Raum. Es müsse geklärt werden, ob die Beteiligung der Kommunen zwingend erforderlich gewesen wäre und ob die Schließungen deshalb rechtlich angreifbar seien. Zudem wurde die Frage aufgeworfen, ob Versicherte in Baden-Württemberg für ihre Beiträge die gleiche Leistung erwarten dürften wie in anderen Bundesländern.

Unterschriften gegen die Schließungspläne übergeben

Dr. Dorothea Kliche-Behnke, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, dankte den Teilnehmern für ihr Engagement und betonte, dass eine Schließung von einem Drittel aller Notfallpraxen gegen den Willen der Bevölkerung nicht einfach durchgesetzt werden könne.

Zum Abschluss überreichten die Eberbacherin Birgit Biber, Initiatorin einer Petition gegen die Schließungen, sowie Jan-Peter Röderer tausende Unterschriften an Dr. Reinhardt. Röderer bekräftigte seinen Einsatz für die Notfallversorgung im Land.

Ob der massive Protest Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten. Die KVBW zeige sich laut MdL Röderer uneinsichtig, und Gesundheitsminister Manfred Lucha nehme seine Aufsichtspflicht bislang nicht wahr. Wer sich weiter engagieren möchte, kann sich an das Wahlkreisbüro von Jan-Peter Röderer in Eberbach wenden. Dort werden Aktionen koordiniert, um die drohenden Schließungen zu verhindern.

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