Soziale Herkunft und Bildungserfolg entkoppeln

Regionale Bildungslandschaften bilden

Walldürn. (pm) Um Antworten zu geben auf die vielfältigen offenen Fragen, die das Schul- und Bildungssystem in unserem Land an Schule Interessierten aufwirft, hat die Arbeitsgemeinschaft für Bildung in der SPD (AfB) Lehrerinnen und Lehrer des Altkreises Buchen eingeladen, diese Fragen direkt an das Kultusministerium zu stellen.

„Stuttgart ist weit weg, aber wir freuen uns, den Leiter der Grundsatzabteilung des Ministeriums in Walldürn begrüßen zu können“, leitete Joachim Mellinger, Kreisrat und ehemaliger Realschullehrer den Diskussionsabend ein. Die Rektorin der Grundschule Walldürn Christina Scheuermann band in die kurze Vorstellung ihrer Schule gleichzeitig bereits mehrere Themen ein wie die verlässliche Grundschule, die Auszeichnung als bewegungsfreudige Grundschule, die Notwendigkeit des sozialen Lernens und der Einbindung der Lernförderung durch zusätzliche Fachkräfte.


Prof. Dr. Michael Hermann, Leiter des Grundsatzreferats des Kultusministeriums, umriss in seiner Einleitung die Herausforderung an die Gesellschaft durch die demografische Entwicklung, den Schülerrückgang um bis zu 20%, den Fachkräftemangel und die Notwendigkeit bester Qualifizierung, gerade auch im europäischen Wettbewerb. Das Menschenbild, an dem sich die Regierung und damit auch die Kultusverwaltung orientiert, ist die der optimalen Unterstützung und der individuellen Förderung jedes einzelnen.

Mehr Schülerinnen und Schüler müssen zu besseren Bildungsabschlüssen geführt werden und es muss eine Entkoppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg stattfinden. Als wichtigste Schritte sind im letzten Jahr, je nach Sichtweise, viele Maßnahmen oder nur Reformen im Schneckentempo umgesetzt worden, wie die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung, die den Vorrang des Elternwillens widerspiegelt, die Entwicklung zu mehr Qualifikation im Haupt- und Werkrealschulbereich auch an kleinen Schulen, u.a. mit der Einführung der 10. Klasse, der Modellversuch der Parallelführung von G8/G9 und die Einführung der Gemeinschaftsschule im neuen Schuljahr für annähernd 1800 Schülerinnen und Schüler im Land.

Priorisiert wird für die Zukunft der Ausbau von Ganztagsgrundschulen im Anschluss an die Ganztagskinderbetreuung, die Inklusion, d.h. die Umsetzung der EU-Forderung der gemeinsamen Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung, wenn dies der Elternwille ist. Gebremst werden diese Reformen durch die bis 2020 einzurichtende Schuldenbremse der Bundesregierung. Die Kultusverwaltung kann nur an Lehrerstellen, die durch den Rückgang der Schülerzahlen möglich werden, sparen. Aber alle Lehrkräfte sollen weiterhin den Schulen zur Verfügung stehen, ebenso die Krankheitsvertretungen, deren Streichung vor dem Regierungswechsel fest eingeplant war.

Aus dem Kreis des Publikums kamen Fragen zu den pädagogischen Assistenten, die nunmehr entfristet und auch besser vergütet werden, wobei im Bereich der Grundschulen noch Entscheidungen offen sind. Zur „sterbenden“ Hauptschule bemerkte Prof. Hermann, dass letztendlich auch die Eltern entscheiden, auf welche Schule ihr Kind gehen möge und es Aufgabe des Schulträgers ist, ob er eine Schule schließen oder behalten möchte. Eine regionale Schulentwicklung soll daher angestrebt werden.

Bei den Realschulen sollen die Ressourcen steigen, da von einer größeren Heterogenität der Schülerschaft auszugehen ist, die bereits jetzt schon bei den im kommenden Schuljahr startenden Gemeinschaftsschulen vorherrschen wird. Über 4400 neue Lehrer werden eingestellt, nicht nur als Ersatz für die künftigen Ruheständler, sondern auch, um die Unterrichtsversorgung in allen Schulen weiterhin trotz Rückgang der Schülerzahlen gewährleisten zu können.

Schulverbünde wurden angesprochen, aber auch die bessere Lehrerausbildung, um auf die Veränderung der Lernkultur vorbereitet zu werden. Im Bereich der Gymnasien wurde das G9 als Modellschule angesprochen, aber auch die Notwendigkeit der Überarbeitung nicht nur der gymnasialen Bildungspläne, sondern diejenigen aller Schularten nach den Standards des Bundes. Dass bei der Anmeldung der Kinder auf eine weiterführende Schule keine Daten von der abgebenden an die neue Schule gegeben werden dürfen, hängt mit Datenschutzbestimmungen zusammen.


Bei allen Wünschen zur Verbesserung des Schulsystems muss aufgrund der Schuldenbremse, so betonte Prof. Hermann, leider auch ein Finanzierungsvorbehalt mitbedacht werden. Und das macht den Spagat zwischen dem Wunsch, Kindern gerecht zu werden, und dem, was tatsächlich möglich ist, nicht gerade kleiner.

Dass Kinderrechte und der Wunsch nach kleineren Klassen nicht außen vor bleiben dürfen, ist das eine, dass durch den Pakt für Familien aber langfristig bereits im frühkindlichen Bereich bessere Startchancen geschaffen worden sind, betonte die Kreisrätin Dr. Dorothee Schlegel zum Ende der Diskussion.

Zu den offen gebliebenen Punkten wurde die Zusage gemacht, diese von Stuttgart aus zu beantworten. „Bildung ist eine Ressource, die sich immer bezahlt macht und die wir allein schon wegen des stetigen internationalen Wettbewerbs nicht schwächen, sondern stärken müssen, damit wir nicht nur im nationalen Vergleich weit vorne im Bus sitzen, sondern auch, damit unser Bus global gesehen nicht den anderen hinterherfährt“.

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