„Emul nunner un widda nuff“

Feier der Stadtteile 50 jahre buchen im Odenwald. Das Bild zeigt den maibaum in stürzenhardt

Der stattliche, 28 Meter hohe Maibaum, wird am Ende des WOnnemonats gegen ein Höchstgebot als Brennholz versteigert. (Foto: pm)

Stürzenhardter Stadtteilwoche – Geführte Wanderung ein voller Erfolg

Stürzenhardt. (sch) Der kleine Höhenort Stürzenhardt, liebevoll Sterzt genannt, mit rund 100 Einwohnern lud als Hauptaktion der Stürzenhardter Stadtteilwoche zum „Stürzenhardter Tag“ ein.

Der kleinste, höchstgelegene und aktuell demografisch jüngste Stadtteil machte den Auftakt zur Veranstaltungsreihe „50 Jahre Neue Stadt Buchen“ und präsentierte sich großartig und von seiner besten Seite – aktiv, gastfreundlich, gesellig, informativ, kulinarisch, liebenswert und lebendig.

Bei Bilderbuchwetter, die Sonne strahlte, begrüßte Ortsvorsteher Benno Berberich die große Teilnehmerschar, Jung und Alt, darunter viele Stürzenhardter und ehemalige Stürzenhardter sowie Bürgermeister Roland Burger und Beigeordneter Benjamin Laber.

„Gut, dass Stürzenhardt den Anfang bei den Stadtteilwochen macht, denn der Stadtteil war schließlich die erste Gemeinde, die unter ihrem damaligen Bürgermeister August Farrenkopf der neuen Stadt Buchen bereits 1970 beitrat“, stellte der Ortsvorsteher heraus. Er war überwältigt von der großen Resonanz und versprach: „Stürzenhardt heißt alle willkommen“, was mit dem gastfreundlichen Tag dann auch von der Einwohnerschaft umgesetzt wurde.

„Emul nunner un widda nuff“

Die Wanderung unter dem Motto „Emul nunner un widda nuff“ war eine imposante Tour mit verschiedenen Stationen. Über 80 Teilnehmer erlebten gemeinsam einen beeindruckenden und erlebnisreichen Nachmittag. Die Gesamtorganisation erfolgte in perfekter Weise durch Stadtarchivar Tobias Kohler.

Die Strecke war fast neun Kilometer lang und führte 290 Meter bergab und ebenso wieder hoch, also “Emul nunner un widda nuff.” Nach dem Start kehrten die Teilnehmer mit vielen interessanten Eindrücken vier erlebnisreichen Stunden später ins hochgelegene Stürzenhardt zurück.
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(Foto: pm)

Schöne Aussicht

Beim Start der Wanderung wurde der schöne Spielplatz passiert, hier verzauberte die wunderschöne Aussicht vom hochgelegenen Stadtteil, der nicht umsonst oftmals „Balkon von Buchen“ genannt wird, bevor des den Mühlweg steil nach unten zur Pumpstation, in der Nähe der Unterneudorfer Mühle, ging.

Pumpwerk Stürzenhardt

Beim Pumpwerk im Tal wartete schon Experte Dr. Wolfgang Hauck, ehemaliger Beigeordneter, auf die Teilnehmer. Er informierte beeindruckend über die Historie und das frühere Erfordernis des Pumpwerks zur damaligen Sicherstellung der Wasserversorgung.

Da Stürzenhardt auf einem wasserarmen Gebirgskegel liegt, war die Wasserversorgung ein Problem. Ende des 19. Jahrhunderts wurde deshalb ein Pumpwerk im Tal bei der Unterneudorfer Mühle errichtet, die das Quellwasser des Pfaffenbrunnens mittels Rohrleitungen die rund 200 Höhenmeter hoch nach Stürzenhardt pumpen sollte.

Dr. Hauck informierte eindrucksvoll und sehr anschaulich über die damalige, umweltfreundliche Technik. Das Pumpwerk versorgte Stürzenhardt beinahe 80 Jahre lang mit Wasser. Mit Informationstafeln und einem Blick ins Innere des Pumpwerkes gewannen die Teilnehmer weitere Einblicke.

Flugzeugabsturzstelle und Krater

Die Flugzeugabsturzstelle vom Flugzeugabsturz im Dezember 1944 war die nächste Station. Hier berichtete Siegfried Reißing, ehemaliger Grabungstechniker vom Landesdenkmalamt, mit viel Expertise von den Funden und Ausgrabungen der Amerikaner. Bei einem Flugmanöver im Luftraum über Buchen kollidierten am 30. Dezember 1944 zwei amerikanische B-17G Bomber.

Das eine Flugzeug mit dem Spitznamen „Fuddi Duddy“ schlug im Buchener Stadtwald auf und explodierte dort. Von den neun Besatzungsmitgliedern wurden vier getötet. Zwei Soldaten konnten sich mittels Fallschirmes retten und wurden anschließend von den nationalsozialistischen Behörden verhaftet. Drei Besatzungsmitlgieder gelten bis heute als vermisst.

Das zweite Flugzeug wurde durch den Zusammenstoß stark beschädigt und stürzte unkontrolliert ab. Das Flugzeug wurde noch in der Luft durch eine Explosion in mehrere Teile gerissen, die in einem Umkreis von etwas zwei Kilometern nordöstlich von Stürzenhardt herunterkamen.

Erst ab 2019 führten verschiedenen Forschergruppen Untersuchungen an der Absturzstelle im Buchener Stadtwald durch. Zur Erinnerung an den Flugzeugabsturz wurde ein Gedenkstein mit Gedenktafel im Stadtwald aufgestellt. Auch ein Biotop an einem der Bombenkrater wurde von den Teilnehmern besichtigt.

Zeitzeugen berichten

Siegfried Reißing informierte sehr interessant über die Flugzeugabstürze und Funde. Bemerkenswert war die Teilnahme von Nachkommen (Enkeln) verschiedener Zeitzeugen aus Buchen und Stürzenhardt, welche von den Erzählungen der Opas zur Rettung der Überlebenden und den damaligen ersten Funden der Frackteile berichteten.

Gerald Kaiser erzählte von seinem Opa Joseph Alois Kaiser, der dem einen Überlebenden das Leben gerettet hat. Die Nachkommen von Walter Farrenkopf, seine interessanten Zeitzeugenberichte las Siegfried Reißing vor, waren ebenfalls bei der Wanderung dabei. Erst unlängst beim Mähen wurden im Wald noch Alu- und Blechteile gefunden, welche dem zerschellten Flugzeug zugeordnet werden.

Kaffeepause am Stürzenhardter Brückle

Als freundliche Gastgeber luden die Stürzenhardter beim Stürzenhardter Brückle, auf dem Jugendzeltplatz zu Kaffee und Kuchen sowie Kaltgetränken ein. Es gab verschiedene leckere hausgemachte Blechkuchen von den Frauen aus Stürzenhardt. Nach der Pause ging es zunächst dem Morretal entlang und dann links hoch Richtung Stürzenhardt, zum Streitwald, unweit des Heuweges.

Streitwald – Streitwaldbrücke

Ein weiterer Informationspunkt war an der historischen Streitwaldbrücke beim Taubenklingengraben. Die steinerne Brücke verdankt, genauso wie das Forst-Areal, ihren Namen über hundertjährigen Streitereien vor langer Zeit.

Der Wald grenzt an die Gemarkungen Stürzenhardt, Hettigenbeuern und Steinbach an. Ortsvorsteher Benno Berberich berichtete von den früheren Streitereien. Nach einem Protokoll von 1781 eskalierten die Streitereien gegen Ende des 18. Jahrhundert.

Der Konflikt währte damals schon über 100 Jahre lang, Streitgegenstand war die Nutzung des Waldstücks. In einer schriftlichen Einigung aus dem Jahr 1781 wurde der strittige Waldbezirk zwischen dem Erzstift Mainz (Stürzenhardt) und dem Haus von Berlichingen (Hettigenbeuern) aufgeteilt.

33 Grenzsteine gesetzt

Am 14. März 1782 wurden 33 Grenzsteine gesetzt, diese hatten auf der einen Seite das Mainzer Rad und auf der anderen Seite die Buchstaben „HB“ für Hettigenbeuern. Ein weiterer Streit einige Jahre später wurde bei einem Umtrunk beigelegt.

Wieder einige Jahre später wurde schließlich unter Napoleon der Streitwald dem Fürsten von Leiningen zugeteilt. Er gehört seitdem zur Gemarkung Steinbach.

Heimatbuch „50 Jahre neue Stadt Buchen“

Die interessanten Ausführungen der jeweiligen Experten-Beiträge gibt es jeweils in detaillierte Form im Heimatbuch „50 Jahre neue Stadt Buchen“ und im Wartturm-Beiträgen nachzulesen, informierten die jeweiligen Referenten.

Maibaum

Eigentlich sollte zum Tagesabschluss als besondere Aktion der Stadtteilwoche noch der Maibaum gestellt werden. Von der Stadt Buchen wurde dafür eigens eine neue, sichere Befestigung, eine neue stabile Maibaumhalterung, angeschafft. Am neuen Standort in der Straße am Arnberglick steht künftig der Stürzenhardter Maibaum.

28 Meter hoch

Allerdings wollte Stürzenhardt zur Stadtteilwoche einen besonders großen und schönen Baum, das Prachtexemplar hat die beachtliche Höhe von 28 Metern und wurde deshalb sicherheitshalber von der Abteilungswehr bereits vormittags aufgebaut. Die Besucher konnten sich, wie auch Bürgermeister Burger und Beigeordneter Laber, von der neuen Befestigungsart und von den neu angelegten Parkplätzen am Arnberglick überzeugen.

Gemütlicher Abschluss

Beim gemütlichen Abschluss des Tages, dem vom Jugend- und Heimatverein Stürzenhardt durchgeführten Grillfestes am Dorfgemeinschaftshaus erfolgte durch Abteilungskommandant Eric Schilling noch die traditionelle Versteigerung des Maibaums. Am 31. Mai wenn er gefällt wird, geht der stattliche Baum als Brennholz an Gebhard Link, der das Höchstangebot abgegeben hat.

Bei gemütlichen Stunden klang der gelungene „Sterzter Tag“ harmonisch aus.

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