„Wir sind Kirche“ – Täter geschützt

(Symbolbild – No Name 13/Pixabay)

„Erschreckende Problem- und Rechtsignoranz“ – Maßnahmen gefordert

Freiburg/München.(pm) Der heute vorgestellte Freiburger Abschlussbericht zum früheren Umgang mit sexualisierter Gewalt hat in erschreckender Deutlichkeit die jahrzehntelange Problem- und Rechtsignoranz der Führungsverantwortlichen in der Erzdiözese Freiburg offenbart (NZ berichtete)

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Die vorgestellten Fallstudien aus der Amtszeit des verstorbenen Erzbischofs Dr. Oskar Saier (1978-2002) und seines Nachfolgers Dr. Robert Zollitsch (2003-2013), der bereits seit 1983 Personalverantwortlicher war, zeigen detailliert die praktizierten Vertuschungsmethoden auf, die ganz sicher nicht nur im Freiburger Erzbistum anzutreffen waren und sind.

Die Freiburger Aktenanalyse bestätigt ein weiteres Mal die Systematiken im kirchlichen Missbrauchskomplex. Erschreckend ist, dass Betroffene über Jahrzehnte nicht ernst genommen und ignoriert wurden, Täter geschützt und für ihre Arbeit gar gelobt wurden, professionelle Vertuschung geschah und selbst geltendes Kirchenrecht missachtet wurde.

Ein weiteres Mal zeigt sich, dass ein hierarchisch aufgebautes Machtsystem Missbrauch begünstigt und das Leid und die Interessen von Betroffenen zu wenig oder keine Beachtung finden. Aufarbeitung, therapeutische Begleitung und angemessene Ausgleichszahlungen, die Missbrauchsbetroffene wenigstens von finanziellen Sorgen freistellen, sind mehr als dringlich.

Es ist ein Versagen kirchlicher Strukturen, dass selbst obligatorische Meldepflichten an den Vatikan oder Anweisungen der Deutschen Bischofskonferenz in Freiburg nachweislich ignoriert wurden.

Dies zeigt, wie notwendig die im Rahmen des Synodalen Weges im Synodalforum 1 „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ entwickelten Vorschläge sind, die vom Vatikan nicht ignoriert werden dürfen.

Versagen von Karl Lehmann und Robert Zollitsch, die beide DBK-Vorsitzende waren

Nach der Entlarvung des Fehlverhaltens des verstorbenen Kardinals Karl Lehmann durch die Mainzer Missbrauchsstudie am 03. März 2023 stellt der heute vorgestellte Freiburger Abschlussbericht Erzbischof Zollitsch ein ähnliches schlechtes Zeugnis aus.

Dass beide Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz waren, erklärt im Nachhinein die unverantwortliche Zögerlichkeit der katholischen Kirche in Deutschland in dieser Problematik. Nur der jahrzehntelangen Beharrlichkeit der Betroffeneninitiativen, der seit dem Wiener Missbrauchsfall 1995 bestehenden KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche und vor allem auch der Medien ist es zu verdanken, dass jetzt – wenn auch noch nicht in allen Bistümern – eine Aufarbeitung begonnen hat.

Von den vatikanischen Behörden fordert Wir sind Kirche umgehendes und konsequentes Handeln gegenüber Bischöfen, die im Zusammenhang mit Missbrauch Verantwortung tragen. Konsequent wäre es zum Beispiel, wenn nach dem jetzt bekannt gewordenen Fehlverhalten der Vatikan den früheren Erzbischof Zollitsch aus dem Klerikerstand entlassen würde. Genauso konsequent wäre es, Erzbischof Saier aus der Bischofsgruft auf einen anderen Friedhof umzubetten.

So schmerzhaft dieser langwierige Aufarbeitungsprozess besonders für die Betroffenen, die immer wieder retraumatisiert werden, aber auch die Kirche insgesamt ist: Nur die Wahrheit wird am Ende frei machen, wie der jetzige Freiburger Erzbischof Stephan Burger betont, und neues Engagement innerhalb kirchlicher Strukturen ermöglichen.

Dazu wird es aber auch notwendig sein, professionelle Aufarbeitung in den Kirchengemeinden zu leisten, die durch aufgedeckte Missbrauchsfälle gespalten sind, wie dies die Garchinger Initiative Sauerteig aufzeigt.

 

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