IG Metaller wählen ihr Parlament

Der Ortsvorstand von links: Harald Gans, Christian Gehrig, Hubert Tschall, Uwe Stastny, Sabine Maurer, Rainer Haag, Conny Miltenberger, Rainer Seifert, Antonio Caliendo. Auf dem Bild fehlen Ralf Latterner und Luisa Frantz. (Foto: Gianluca Manzi)

Tauberbischofsheim. (pm) Delegierte Mitglieder aus den Betrieben des Main-Tauber-Kreises und des Neckar-Odenwald-Kreises nahmen an der konstituierenden Delegiertenversammlung der IG Metall Tauberbischofsheim am vergangenen Donnerstag in Dittigheim teil. Alle vier Jahr finden deutschlandweit innerhalb der IG Metall und nach dem Gewerkschaftstag die Organisationswahlen statt. Diese münden dann in der Konstituierung der Delegiertenversammlung, vergleichbar mit dem Parlament der IG Metall vor Ort.

Zu der Versammlung am vergangenen Donnerstag begrüßte Rainer Seifert, noch amtierender zweiter Bevollmächtigter, insgesamt 80 Teilnehmer, darunter 55 wahlberechtigte Mitglieder und weitere Ersatzmitglieder und Gäste. Seit Jahresbeginn wurden von der IG Metall Tauberbischofsheim in 30 Wahlbezirken in Betrieben, in den Regionen und Personengruppen Mitgliederversammlungen durchgeführt und dort wurden von den Mitgliedern die Delegierten für diese Versammlung gewählt.

Die Delegiertenversammlung ist damit das höchste Organ der IG Metall vor Ort und wird häufig auch Parlament der Geschäftsstelle genannt. Die Delegiertenversammlung wählt die geschäftsführenden Organe, die Tarifkommissionen, die Vertreter für den Gewerkschaftstag und sonstige Gremien. Die Delegierten lassen sich vierteljährlich die Arbeit der Geschäftsstelle berichten, diskutieren aktuelle Fragestellungen und fassen Beschluss über die großen Linien der Gewerkschaftsarbeit vor Ort. Ebenso begutachten Sie die Finanzberichte und entscheiden über die Entlastung des Ortsvorstands und der Geschäftsführer.

Um die anstehenden Wahlen durchführen zu können, wurde von den Delegierten eine Mandats- und Wahlkommission bestellt. Dieses waren Thomas Walz (Firma Magna PT), Martin Götz (Firma AZO) und Thomas Brocher (Firma Weinig).

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Harald Gans, bisheriger 1. Bevollmächtigter der IG Metall zog Bilanz zur Arbeit der Geschäftsstelle der vergangenen vier Jahre. Zu der Finanzsituation konnte er eine solide Entwicklung des Ortskassenbestand aufzeigen. Die IG Metall Tauberbischofsheim erhält keine staatlichen oder sonstigen Zuschüsse, sondern finanziert sich über die Mitgliedsbeiträge. Teile davon werden an die Vorstandsverwaltung abgeführt zur Finanzierung der Bezirksleitungen, des Vorstands und Unterstützung des DGB-Rechtsschutzes, sowie zur Sicherung der Streikkasse.

Mit den restlichen Mitgliedsbeiträgen finanziert die IG Metall Tauberbischofsheim die Personalkosten, Agitationskosten, Seminare und Geschäftsräume. Im Jahre 2023 minimierte sich der Ortskassenbestand um 7.785 Euro, im Verlauf der vergangenen vier Jahre konnte aber ein Zuwachs von 420.000 Euro in 2020 auf 572.000 Euro verbucht werden. Damit steht die Geschäftsstelle auf einem finanziell gesunden Fundament und kann auch kurze Zeiten der Krisen bewältigen.

In der Mitgliederentwicklung verzeichnet die Geschäftsstelle Tauberbischofsheim einen Rückgang von rund 450 Mitglieder in den vergangenen vier Jahren. Gleichzeitig sank die gemeldete Beschäftigtenzahl der gelisteten Betriebe ebenfalls um ca. 5 Prozent. Nach wie vor sind die Beschäftigten in der Produktion die größte Personengruppe unter den Mitgliedern, gefolgt von Angestellten, Rentner und Arbeitslosen. Bei der Altersstruktur sind die Mitglieder, geboren in den Babyboomer-Jahren, in die Jahre gekommen und bilden somit in der Kohorte 55-65 die größte Altersgruppe.

Diese Struktur veranlasst die Geschäftsstelle dazu, der Mitgliederentwicklung ein besonderes Augenmerk zu verleihen. „Wir wollen die älteren Mitglieder nicht verlieren und wir haben auch ein Angebot für diese Menschen, wie z. B. die Beratung und Vertretung in Sozialrechtsfragen. Wir müssen aber insbesondere unsere Handlungsmacht in den Betrieben steigern, wenn die Baby-Boomer die Betriebe verlassen; das heißt, mit mehr Mitgliedern unsere Organisationskraft stärken“, so Harald Gans.

Im Blick zurück auf die Rahmenbedingungen der politischen Arbeit skizzierte Gans die verschiedenen Krisen in den vergangenen vier Jahren.

Corona hatte durch die Kontaktbeschränkungen einen sehr großen Einfluss auf die Arbeit der IG Metall. „Es war kaum noch möglich, Live-Kontakt zu den Betriebsräten und Vertrauensleuten zu halten und die Kommunikation mit den Mitgliedern war stark eingeschränkt. Das hat die Mitgliederarbeit fasst zum Erliegen gebracht und wir haben lange gebraucht, diese Situation wieder zu verändern“, berichtet Gans von seinen Erfahrungen.

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Positiv sorgte Corona dafür, dass die neuen Kommunikationswege in großer Geschwindigkeit Einzug gehalten haben. Dennoch eignen sich Videokonferenzen nur beschränkt, es sei schwierig online Stimmungen zu empfangen und zu erzeugen.

In der Folge senkte die galoppierende Inflation die Kaufkraft und bremste den privaten Konsum. Nicht nur die Menschen litten unter dieser Situation, sondern auch die Wirtschaft. Bei immens steigenden Rohstoffpreisen nahm gleichzeitig der Auftragseingang aufgrund geringerer Nachfrage ab. Eine Spirale, die nur durch Unterstützung von außen gebremst werden konnte. Die Politik wurde ihrer Verantwortung gerecht und die IG Metall tat das ihrige dazu.

Mit dem Ukrainekrieg änderte sich nicht nur die Friedenspolitik der politisch Verantwortlichen, sondern die Betriebe hatten stark mit den Sanktionen gegen Russland, mit den Lieferkettenproblemen und den hohen Rohstoff- und Energiekosten zu kämpfen. Gleiches galt und gilt immer noch für die Bevölkerung, auch wenn sich aktuell die Situation etwas entspannt hat.

Und auch der Krieg im Nahen Osten mit seinen noch nicht abschätzbaren Folgen für den Weltfrieden sorgen für Unsicherheit bei der Bevölkerung und bei der Politik.

Neben diesen Rahmenbedingungen gibt es die Herausforderungen in der Arbeitswelt, die ebenfalls nach Lösungen rufen: die Transformation, die Mobilitäts- und Energiepolitik, der Klimawandel, KI – künstliche Intelligenz, Fachkräftemangel und Zuwanderung sind nur einige Stichworte, die Gans nannte.

„Wir haben als Gewerkschaften (noch) nicht für alles eine Antwort! Aber wir sind die einzige Organisation, die bei diesen ganzen Veränderungen die Arbeitnehmerinteressen im Blick hat. Die Lösungen müssen wir gemeinsam entwickeln“, bekräftigte der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Tauberbischofsheim.

Tarifpolitisch verwies Harald Gans auf die Abschlüsse der vergangenen vier Jahre in der Metall- und Elektroindustrie, der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie und im Handwerk. An allen Tarifrunden waren auch Betriebe der Geschäftsstelle Tauberbischofsheim beteiligt, so z. Beispiel mit über 3200 Beschäftigten in Tauberbischofsheim in der Tarifrunde 2022. Besonders verwies Gans auf die erfolgreichen Haustarifrunden bei AZO, ECOM, Ersa Automation, Grammer und Magna Spiegel.

In den vier Jahren musste die IG Metall Geschäftsstelle aber auch Verhandlungen in der Insolvenz bei der Firma Laukhoff in Weikersheim und ein Werkschließung in Seckach begleiten. Hilite in Seckach wurde an den Hauptstandort in Marktheidenfeld verlegt. Von Personalabbau betroffen waren Herzog und Ruppel in Lauda, Eirich in Hardheim und Rauch in Freudenberg.

Zu den Betrieben VS Möbel und Wittenstein konnte der Kontakt zu den Betriebsräten und Beschäftigten deutlich intensiviert werden. Sie stehen auch im Fokus der weiteren Entwicklungsarbeit der Geschäftsstelle in den nächsten Jahren.

Am Ende seines Rückblickes würdigte Harald Gans in seiner Funktion als Geschäftsführer die geleistete Arbeit seines Teams, aller Vertrauensleute und Betriebsräte in den Betrieben und bedankte sich dafür. Die Revisoren der Geschäftsstelle bescheinigte dem Ortsvorstand und den Geschäftsführern eine ordentliche Kassenführung. In der Folge wurden der Ortsvorstand und die Geschäftsführer einstimmig von den anwesenden Delegierten entlastet.

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Auch die Bevollmächtigten einer Geschäftsstelle werden alle vier Jahre neu gewählt. Harald Gans war bereit, dass Amt nochmal für vier Jahr zu übernehmen. In seiner Bewerbungsrede verwies er auf den Geschäftsbericht.

Mit Blick auf die Veränderungen der Geschäftsstelle verwies er auf den Umzug von der Hauptstraße auf den Laurentiusberg während dem Jahreswechsel 2021/2022 und dem besonderen Einsatz seines Teams. In den neuen Geschäftsräumen fand das Team zu einer guten Zusammenarbeit. Besonders hob Gans hervor, dass es wieder einen DGB-Rechtsschutz vor Ort gibt und die Mitglieder nicht mehr bis nach Heilbronn oder Schwäbisch Hall fahren müssen. Dieses konnte durch eine gute Kooperationsvereinbarung mit dem DGB erreicht werden.

Schwerpunkte für die nächsten Jahren sind aus seiner Sicht: die Beteiligung in den Betrieben zu stärken, Fachwissen zu Entgeltfragen in den Betrieben zu etablieren, Tarifbindung auszuweiten und Betriebsratsgründungen weiterhin im Auge zu haben. Neben den politischen Schwerpunkten für die nächsten vier Jahre erläuterte Gans auch den vorgesehenen Generationenwechsel im Team der Geschäftsstelle.

„Als Geschäftsführer kandidiere ich das letzte Mal. Aber wir sind vorbereitet, habe gute junge Leute an Bord geholt und ich will in den nächsten vier Jahren den Wissenstransfer gestalten und die Geschäftsstelle nach vier Jahren gut aufgestellt haben für die dann folgende Amtsperiode mit einem jüngeren Team“, blickt Gans in die Zukunft

Harald Gans wurde ohne Gegenkandidaten/-innen mit 92,7 % der Stimmen für weitere vier Jahre zum 1. Bevollmächtigten und Geschäftsführer der IG Metall Tauberbischofsheim gewählt.

Damit der Generationenwechsel funktioniert hatten die Delegierten das Ortsstatut geändert und entschieden, wieder einen hauptamtlichen zweiten Bevollmächtigten zu bestellen. Bisher war diese Position ehrenamtlich durch den Betriebsratsvorsitzenden von Bartec, Rainer Seifert, besetzt. Rainer Seifert bedankte sich für das Vertrauen der Delegierten und die gute Zusammenarbeit in der Geschäftsstelle über die vielen vergangenen Jahre.

Für das Amt des 2. Bevollmächtigten kandidierte Antonio Caliendo. Er wird 36 Jahre alt, hat Industriemechaniker bei ZF gelernt, war später bei Bosch beschäftigt und hat während seiner Berufstätigkeit Erfahrung in der Jugendvertretung, dem Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat gesammelt.

Caliendo bezeichnet sich selbst als überzeugten Metaller, der für die Errungenschaften der Eltern und Großeltern in der IG Metall brennt und diese Tradition in die Zukunft tragen will. Er ist bereits seit zwei Jahre in der Geschäftsstelle Tauberbischofsheim eingesetzt und hat auch hier schon Erfahrung sammeln können. Antonio Caliendo wurde ohne Gegenkandidaten/-innen mit 96,4 Prozent der Stimmen zum zweiten Bevollmächtigten/Geschäftsführer gewählt.

Auch die weiteren Ortsvorstandsmitglieder wurden in geheimer Wahl gewählt. Sie sind das geschäftsführende Organ, tagen einmal im Monat und sind verantwortlich für die Umsetzung der Gewerkschaftsarbeit vor Ort. Neun weibliche und männliche Mitglieder aus den Betrieben stellten sich zur Wahl.

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Gewählt wurden:

  • Luisa Frantz (stellvertr. Betriebsratsvorsitzende von Procter & Gamble in Walldürn) mit 90,6 %
  • Christian Gehrig (Betriebsratsvorsitzender von AZO in Osterburken) mit 81,1 %
  • Rainer Haag (Betriebsratsvorsitzender von Weinig in Tauberbischofsheim) mit 86,8 %
  • Ralf Latterner (Betriebsratsvorsitzender von Grammer in Hardheim) mit 83,0 %
  • Sabine Maurer (Betriebsratsvorsitzende von Magna Spiegel in Assamstadt) mit 81,1 %
  • Conny Miltenberger (Betriebsratsvorsitzende von Rauch in Freudenberg) mit 75,5 %
  • Rainer Seifert (Betriebsratsvorsitzender von Bartec in Bad Mergentheim) mit 81,1 %
  • Uwe Stastny (stellvertr. Betriebsratsvorsitzender von Lauda in Lauda) mit 84,9 %
  • Hubert Tschall (Betriebsratsvorsitzender von Ruppel in Lauda) mit 79,2 %

der Stimmen. Alle nahmen die Wahl an.

In den weiteren Wahlvordurchgängen wurden die Delegierten für die Bezirkskonferenz Baden-Württemberg, die Mitglieder der baden-württembergischen Tarifkommissionen für die Metall- und Elektroindustrie, für die holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie und für das Handwerk gewählt.

Zum Ende der Versammlung wurden die ausscheidenden Delegierten geehrt. Rainer Seifert als bisherigem 2. Bevollmächtigten und den ausscheidenden Ortsvorstandsmitglieder Zeljko Volarevic (ehemals Hilite in Seckach), Karl Graser (Magna PT, Rosenberg) und Bodo Kaumann (P&G Walldürn) danke Harald Gans ausdrücklich für die langjährige zurückliegende Arbeit in verantwortlicher Position. „Es ist nicht selbstverständlich, ehrenamtlich die gewerkschaftliche Arbeit zu unterstützen. Ihr habt es mit viel Herzblut getan und dafür danke ich Euch im Namen von über 7.000 Mitglieder der IG Metall Tauberbischofsheim“, würdigte Gans die aus ihren Ämtern Ausscheidenden.

Im Schlusswort freute sich Gans auf die Arbeit mit den neuen Delegierten, dem neuen Ortsvorstand und dem neuen 2. Bevollmächtigten in den nächsten vier Jahren.

 

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