Mosbach. (lra) Trotz frühsommerlicher Temperaturen tragen die indischen Gäste, die derzeit im Neckar-Odenwald-Kreis bzw. an der Gewerbeschule in Mosbach zu Besuch sind, Jacken über ihren indischen Gewändern. „Die empfinden dieses Wetter wie den heimischen Winter“, erklärt Ulrike Paeper, Pfarrerin und Religionslehrerin an der Schule. Über sie bzw. den Mosbacher Verein „Partnerschaft in Einer Welt e.V.“ läuft der enge Kontakt zum Child Guidance Centre (CGC) in indischen Hyderabad, einer Millionenstadt im Süden des Landes. Und von dieser Behinderteneinrichtung samt breit gefächertem Bildungs- und Ausbildungsangebot kommen die Schülerinnen und Schüler, die für vier Wochen im Neckar-Odenwald-Kreis zu Besuch sind.
Diesem Austausch sind schon viele Besuche vorausgegangen. Ende letzten Jahres waren acht Schülerinnen und Schüler des Technischen Gymnasiums samt Ulrike Paeper und Sigrid Bilawski-Kästel, einer Englischlehrerin an der Gewerbeschule, zu Besuch in Hyderabad. „Normale“ Schüleraustausche sind das nicht; im Vordergrund steht dabei das Thema „Behindertenarbeit“ und daneben der Austausch der fremden Kulturen, was freilich gemeinsame Ausflüge, Parties feiern und schlicht Spaß haben nicht ausschließt, wie Ulrike Paeper und auch die Teilnehmer betonen.
Dennoch besteht ein ernster Hintergrund: Die Geburt eines behinderten Kindes wird in Indien noch immer oft als Strafe für Verfehlungen in einem früheren Leben gesehen. Meist werden Behinderte versteckt, eine Förderung gibt es praktisch nicht. Das CGC hat hier einen ganz anderen Ansatz: Über 200 geistig und/oder körperlich behinderte Kinder und Jugendliche werden hier unterrichtet und gefördert. Nur leicht behinderte Jugendliche können einen Beruf erlernen, in der Tobi Förderschule lernen Kinder aus den Dörfern ringsum. Kleinkredite werden erteilt, Aids-Waisenkinder erhalten hier ein Zuhause und in einem Rehabilitationszentrum finden sexuell missbrauchte und traumatisierte Frauen Schutz und Hilfe. Das Besondere gerade in einem Staat wie Indien ist, dass interkulturell und interreligiös gelebt und gearbeitet wird. Dalits („Unberührbare“) leben friedlich mit Angehörigen höherer Kasten zusammen, Muslime arbeiten mit Christen oder Hindus und bei offiziellen Festen werden Gebete von allen drei Religionen gesprochen. Möglich gemacht wurde diese Entwicklung durch Spenden – gerade auch aus Mosbach.
Das Konzept dieser Einrichtung, deren Verantwortliche wie Dr. P.Frank Vishwanath den engen Kontakt mit dem Mosbacher Verein, der Gewerbeschule und besonders der Johannes-Diakonie nutzen wollen, um über den Umgang und die Förderung von Behinderten zu lernen, hat nicht zuletzt die Robert-Bosch-Stiftung überzeugt. Sie übernahm die Kosten der Fahrt nach Indien und auch die Kosten des Gegenbesuchs. „Gerade die indischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten sich das sonst nie leisten können. Die meisten kommen aus bitterarmen Familien und haben bisher noch nicht mal ihren Bundesstaat verlassen, “ erklärt Ulrike Paeper.
Vor diesem Hintergrund hat es sich auch Landrat Dr. Achim Brötel nicht nehmen lassen, die weitgereisten Gäste, die im Tagungshaus Circampulus in Schefflenz wohnen, persönlich im Beisein vom Schulleiter der Gewerbeschule, Armin Muff, und dessen Stellvertreter Ralf Schmidt in Mosbach zu begrüßen. „Das ist ein richtig spannendes Austauschprojekt“, bestätigte der sichtlich beeindruckte Landrat: „Wir leben auf einer Welt, aber zweifellos in völlig unterschiedlichen Kulturkreisen. Das macht den Dialog umso wichtiger, denn nur, wenn wir miteinander reden können wir auch voneinander lernen.“ Dr. Brötel dankte allen, die sich für das Zustandekommen dieses Austauschs eingesetzt haben, insbesondere Ulrike Paeper, aber auch Schulleiter Armin Muff, der die Kontakte mit dem CGT sehr unterstützt.
Die indische Delegation dankte herzlich für die Willkommensgrüße. „Wir möchten hier viel lernen über die Integration von behinderten Menschen. Damit wir hoffnungslosen Menschen wieder eine gute Hoffnung geben können“, erklärte Dr. Vishwanath schlicht.
Weitere Infos gibt es über das Internet: www.cgcindia.org oder www.pow-mosbach.de.
Die meisten der indischen Gäste, die derzeit unter anderem an der Gewerbeschule in Mosbach zu Gast sind und von Pfarrerin Ulrike Paeper, dem Verein „Partnerschaft in einer Welt“ und Sigrid Bilawski-Kästel, einer Lehrerin der Gewerbeschule betreut werden, waren zuvor noch nie außerhalb ihres Bundesstaates. Umso glücklicher sind sie über die Möglichkeit, Deutschland und den Neckar-Odenwald-Kreis besuchen zu können, wo sie von Landrat Dr. Achim Brötel und von Schulleiter Armin Muff begrüßt wurden. (Foto: LRA)