Visiere gegen Corona-Infektionen

Unser Bild zeigt den Mediziner Bruno Westermann aus Waldbrunn mit einem Visier. (Foto: privat)

Neuenstädter 3d Druck Stammtisch begegnet kritischem Mangel mit Know-How und unbürokratischer Hilfe

Waldbrunn.In der aktuellen Krisensituation rund um das Corona-Virus kommt es in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens und insbesondere auch der Gesundheitsversorgung zur akuten Verknappung notwendiger Hilfsmittel und Ausrüstung.

Auf Initiative des Arztes Bruno Westermann aus Waldbrunn nahmen sich die technikbegeisterten Mitglieder des Neuenstädter 3D-Drucker Stammtischs des Problems an. Das Projekt “Gesichtsvisier für Arztpraxen, Rettungsdienste und weitere Helfer” war geboren. Auch wenn Bruno Westermann betont, dass es nicht seine Idee war, da es in Südeuropa, insbesondere in Spanien, bereits ähnliche Bemühungen gibt.

Westermann, der hauptberuflich als Arzt und Notarzt tätig ist fragte die Stammtisch-Mitglieder an und diese sprangen quasi über Nacht in die Bresche. Durch viele Kontakte und Informationen zur Lage in den einzelnen Krankenhäusern, bei den Rettungsdiensten und auch niedergelassenen Arztpraxen wurde klar, dass ein allgegenwärtiger Mangel an Ausrüstung für die besonders exponierten Berufsgruppen vorlliegt. Am größten ist der Mangel bei den sogenannten Partikelfiltermasken mit den Schutzgraden FFP2 und FFP3. Eine solche Maske selbst herzustellen ist kaum möglich und birgt großes Potenzial, dass sich ein Nutzer mit dem Coronavirus infizieren könnte. Insofern wurde die Energie auf ein eher unkritisches Visier zur Vermeidung einer direkteN Tröpfcheneinwirkung und zur mechanischen Barriere gegenüber dieser verwandt.

Nach kurzer Internetrecherche des Mediziners waren schnell einige aus anderen Ländern verfügbare Designs gedruckt und auf die Praxistauglichkeit getestet worden. Letztlich fiel die Entscheidung auf ein Modell eines freien spanischen Makers namens Hanoch Hemmerich, der sich wohl aufgrund der gleichen Krisensituation im Land schon sehr ausgiebig mit dem Entwurf eines entsprechenden Visieres beschäftigt und sich nach mehreren Modifikationen an ein optimales Modell angenähert hatte. Nach ersten Testversuchen wurde dieses Modell von einem schwäbischen CAD Designer der Stammtisch-Gruppe nach den vom Arzt in Absprache mit seinen Kollegen definierten relevanten Praxisanforderungen verfeinert.

Die Gruppe der “3D-Drucker” war sofort Feuer und Flamme und stand mit Internetrecherche Diskussionen von Für und Wider einzelner Aspekte und regem Austausch und Diskussion in einer WhatsApp Gruppe des Stammtisches fast rund um die Uhr hinter dem Projekt. Und so konnte bereits in kürzester Zeit mit den ersten Auslieferungen an entsprechend Hilfesuchende begonnen werden. Egal ob Kinderarztpraxis, Zahnärzte, Post Packstationen oder Bestatter, ja selbst Krankenhäuser, Rettungsdienst-Verbände und Notärzte wurden durch die freiwilligen Improviseure ausgestattet. Innerhalb von 24 Stunden waren bereits fast 50 Visiere mit Hilfe der Drucker erschaffen. Diese wurden dann teils direkt, teils per Postpaket an die Empfänger ausgegeben.

Die Visiere bestehen aus einem aus Thermoplast gedruckten Schild mit einer Aufnahme für eine dünne durchsichtige Folie. Schnell waren geeignete Materialien gefunden und im Verlauf des Prozesses wurden kontinuierlich Verbesserungen vorgenommen.

Jedoch war allen Beteiligten von Anfang an klar, dass eine möglichst schnelle Versorgung in der Breite das allerwichtigste Ziel sei. So wurde ein relativ einfaches Modell gewählt, dass auch auf einfachen 3D-Druckern für den Heimgebrauch herzustellen ist. Durch dieses Vorgehen waren Bereits nach einer Wochen mehr als 150 Visiere ausgeliefert.

Im Laufe des Prozesses wurde dann von den Mitgliedern Markus Blach und Dominic Fischer eine “Fast track” Variante ganz ohne 3D gedrucktes Teil entwickelt, welches bei geringsten Kosten eine Herstellung von vielen Einheiten in kürzester Zeit ermöglicht. Es wurde ein Anleitungsvideo erstellt um es allen anderen hilfswilligen zur Verfügung zu stellen:

Die gemachten Erfahrungen wurden ebenso wie das 3D Modell mit anderen Makern/ 3D Drucker Besitzer geteilt, auch mit einem Team der Experimenta Heilbronn, das umgehend mit der Produktion begann. Selbst bis nach Friedrichshafen am Bodensee gelangte über Verbindungen zu dort tätigen Ärzten die Info und auch dort lief eine entsprechende Aktion an.

Entsprechend der unterschiedlichen Anwendungsbereiche konnte somit auf die entsprechenden Anforderungen z.B. hohe Stückzahl für Gesundheitseinrichtungen, Grundausstattung von Haus- und Facharztpraxen sowie eine Robustheit und Praktikabilität im Rettungsdienst eingegangen und allgemein eine ultraschnelle Verfügbarkeit in Zeiten von unterbrochenen Versorgungsketten aus dem Ausland erreicht werden.

Vor der Corona-Krise fanden regelmäßige Treffen statt bei denen Erfahrungen ausgetauscht und Neues getestet wurde. Die Gruppe hofft dass dies bald wieder möglich sein wird. Die Mitglieder des Stammtisches sind überregional, hauptsächlich im Norden Baden-Württembergs angesiedelt. So kommen Mitglieder aus dem Heilbronner Raum, Stuttgart, Waghäusel, dem Neckar-Odenwald Kreis, Schwäbisch Hall und weiteren Landkreisen.

Für weitere Infos steht folgende Mailadresse zur Verfügung 3ddruckerexpress@gmail.com

Infos im Internet:

www.thingiverse.com/thing:4235098
https://makerspace.experimenta.science/2020/03/27/faceshields-aus-dem-3d-drucker/

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