Hanna und Serhii Mechenkov im Krankentransportwagen auf dem Weg nach Mosbach. (Foto: Heiko Bissinger)
Kriegsverletzter Ukrainer wird in Mosbach weiterbehandelt
Mosbach/Wagenschwend. (pm) Obwohl in ihrer Heimat Ukraine der Krieg mit unverminderter Härte weitergeht, darf sich Hanna Mechenkova kurz vor Weihnachten riesig freuen.
Sie kann ihren Mann Serhii nach neun langen Monaten der Trennung und der Sorge hier im Neckar-Odenwald-Kreis wieder in die Arme schließen. Mit ihr freuen sich die Töchter Evgenia (10) und Karina (15).
Vergangene Woche holten zwei Rettungssanitäter des DRK-Kreisverbands Mosbach den Kriegsverletzten an der polnisch-ukrainischen Grenze ab und brachten ihn, innerhalb von zwei Tagen, im Krankentransportwagen (KTW) nach Mosbach, wo seine Weiterbehandlung von den Neckar-Odenwald-Kliniken koordiniert wird.
Zu verdanken ist das Glück dieser Familienzusammenführung großem ehrenamtlichem Engagement, großer Beharrlichkeit und dem guten Willen aller beteiligten Institutionen und Behörden.
Heiko Bissinger aus Wagenschwend gab den Anstoß zu dieser Weihnachtsgeschichte. Seine Devise ist „Machen! Nicht reden.“ Und so startete er im März zusammen mit seinem Sohn Tom mit dem Kombi in Richtung Przemysl an der polnisch-ukrainischen Grenze.
Sein Ziel: Angesichts der großen Not wollte er einer Mutter mit zwei Kindern bei sich in Wagenschwend in einer kleinen Einliegerwohnung eine zumindest vorläufige Unterkunft anbieten. So traf er auf Hanna Mechenkova und ihre Freundin Irina.
Während er Irina einen Platz in einem kurz darauf nach Mosbach starteten Hilfskonvoi vermitteln konnte, setzten sich Hanna und ihre Töchter nach einigem Zögern, so berichtet Heiko Bissinger, zu ihm ins Auto. So kamen die drei in den Odenwald.
Freundin Irina traf wenige Tage später mit dem Bus in Mosbach ein und wurde von Ehrenamtlichen des DRK erstversorgt – wie in den Tagen danach rund 200 weitere, auf unbürokratischen Wegen hierher gelangte Flüchtende.
Alle wurden medizinisch untersucht, in meist private Unterkünfte vermittelt und mit dem Nötigsten ausgestattet. Heiko Bissinger kümmerte sich darum, dass Irina bei Familie Beate Klotz, ebenfalls in Wagenschwend, unterkam und die Freundinnen wieder beieinander waren.
Ehemann Serhii Mechenkov dagegen durfte nicht ausreisen. Er wurde vom Militär eingezogen und musste an die Front. Für einige schlimme Tage im September befürchtete Hanna Mechenkova sogar, dass ihr Mann im Kampf umgekommen sei.
Er wurde aber „nur“ verwundet und in russische Kriegsgefangenschaft geraten. Nach einem Gefangenenaustausch im Oktober wurde Serhii Mechenkov in ein Militärkrankenhaus in Kyiv gebracht, wo seine Schussverletzung am Oberschenkel behandelt wurde, allerdings unter den bekanntlich extrem schwierigen Bedingungen.
Vor einigen Wochen trat Heiko Bissinger, vermittelt durch die ehrenamtliche Rotkreuzlerin Ines Spott, an Ingo Kochsmeier vom DRK-Kreisverband Mosbach heran, weil Serhii Mechenkov nach Mosbach gebracht und hier weiter behandelt werden soll – und die Familie wieder zusammenfindet.
Ingo Kochsmeier vermittelte den Kontakt zu den Neckar-Odenwald-Kliniken und kam über Priv.-Doz. Dr. med. Harald Genzwürker mit dem Chefarzt der unfallchirurgischen Abteilung, Dr. Bernd Gritzbach, ins Gespräch.
In den folgenden Wochen wurden alle Hürden genommen. Das Landratsamt Mosbach ermöglichte eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung, die Ausreisegenehmigung aus der Ukraine wurde erwirkt. Allerdings wurde der Transport nur bis zur polnischen Grenze bewilligt. Dem weiteren Transfer durch das Rote Kreuz Mosbach gaben dann auch die Beteiligten beim Roten Kreuz Polen und der Ukraine ebenso „grünes Licht“ wie das Führungs- und Lagezentrum des DRK-Generalsekretariats in Berlin.
Mosbachs Rettungsdienstleiter Robin Bracht gewann die Rettungssanitäter Denis Sprung und Florian Gramlich für den Transfer. Am frühen Morgen machten sie sich mit einem Krankentransportwagen auf die 1.250 Kilometer lange Tour.
Begleitet von Heiko Bissinger, Sohn Tom und Hanna Mechenkova ging es nach Przemysl. Am nächsten Morgen, dem vergangenen Freitag sollte Serhii Mechenkov in einem Krankenwagen ankommen.
Wegen eines Luftalarms in der ukrainischen Hauptstadt Kyiv verzögerte sich der Transport zur 650 Kilometer entfernten ukrainisch-polnischen Grenze. Daher kam der verletzte Soldat erst am Freitagmittag an. Sofort machte sich der Konvoi auf die Rückfahrt in den Odenwald.
Nach einer 13-stündigen Reise nahmen Dr. Bernd Gritzbach und dessen Team den Patienten in der Nacht zum Samstag, um 3.30 Uhr, in der Neckar-Odenwald-Klinik Mosbach in Empfang.
Alle Beteiligten waren erschöpft, aber glücklich. Und die Familie freute sich, über das Ende des Schrecken.
„Das ist Rot-Kreuz-Arbeit“, freut sich DRK-Präsident Gerhard Lauth und verweist auf die Grundsätze der weltweiten Rot-Kreuz-Familie: Das Ziel, „den Verwundeten der Schlachtfelder unterschiedslos Hilfe zu leisten“ und „menschliches Leiden überall und jederzeit zu verhüten und zu lindern“, ist in den Statuten verankert.
„Die Courage der beiden hochmotivierten Notfallsanitäter finde ich bewundernswert“, lobte Lauth die Mitarbeiter. Für Kreisgeschäftsführer Steffen Blaschek ist die Familienzusammenführung ein gutes Beispiel dafür, wie Mitgliedsbeiträge und Spenden direkt bei hilfsbedürftigen Menschen ankommen.
„Es ist für uns eine Freude, einen Beitrag leisten und schwer verletzten Menschen helfen zu können“, so Fr. Bernd Gritzbach. „Die ersten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sind durchgeführt und zeigen bereits Erfolge. Möglicherweise stehen dem Patienten noch operative Eingriffe bevor, das ist noch abzuklären.
Aber das Wichtigste hat ja bereits geklappt, nämlich die Familienzusammenführung“, freut sich der Chefarzt der Neckar-Odenwald-Kliniken.
Gerhard Lauth dankte abschließend ebenso wie Hanna und Serhii Mechenkov allen beteiligten Haupt- und Ehrenamtlichen für ihr nicht alltägliches Engagement.
Wieder vereint: Hanna Mechenkova und ihr Mann Serhii Mechenkov. Der DRK-Kreisverband Mosbach organisierte den Transport des im Krieg Verwundeten von der polnisch-ukrainischen Grenze, die Neckar-Odenwald-Kliniken koordinieren seine weitere Behandlung. Das Bild zeigt die Eheleute mit von links DRK- Kreisgeschäftsführer Steffen Blaschek, Gerhard Lauth, Präsident des DRK-Kreisverbands Mosbach, NOK-Kliniken-Geschäftsführer Frank Hehn, Physiotherapeut Alexander Uhler, Chefarzt Dr. Bernd Gritzbach, Integrationsmanager Florian Küchler und Vera Bissinger. Sie und ihr Mann Heiko Bissinger nahmen Hanna Mechenkova und ihre beiden Töchter nach Kriegsausbruch bei sich in Wagenschwend auf. (Foto: pm)